Face Music - Catalog - Ensemble Mzetamze
  • Ensemble Mzetamze - Vol. I - Traditional Georgian women's song




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P & C December 1998
- Face Music / Albi

- last update 03-2016


- FM 50016 - P & C 1996
more informatio songs in German  

Vokalensemble des wissenschaftlichen Zentrums für Volkskunst und -kultur,
Tbilissi

Ketewan Baïaschwili, Nino Macharadze, Ketewan Nik'oladze,
Nino Schwelidze, Nana Walischwili, Nat'o Zumbadze.


Das Ensemble

Mzetamze bedeutet Sonne der Sonnen. Ein mythologischer Name, der auf den weiblichen Anbeginn verweist: "Die Sonne hat sich hingelegt und den Mond geboren", heisst es in Lied Nr. 32 (vgl. auch Abb. X). Hier steht er für das traditionelle Selbstbewusstsein der georgischen Frauen und gleichzeitig für einen neuen Umgang mit traditioneller Musik.
1986 bildeten sechs Musikwissenschafterinnen am Konservatorium Tbilissi ein Ensemble, das sich ausschliesslich den musikalischen Traditionen der georgischen Frauen widmen sollte, einer bis dahin nur einem engen Kreis von Spezialisten bekannten Kunst. Die Anregung dazu kam von Edischer Garaqanidze, der schon früher mit seinem Ensemble Mtiebi ausschliesslich aufgrund von Feldaufnahmen zu arbeiten angefangen hatte. Seit 1988 wird es vom wissenschaftlichen Zentrum für Volkskunst und -kultur unterstützt. Forschung, musikalische Praxis und pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gehen im Wirken von Mzetamze eine enge Verbindung ein.
In seiner künstlerischen Arbeit lässt sich das Ensemble vom Prinzip grösstmöglicher Nähe zu den Quellen leiten. Auch lokale Eigenheiten der Intonation und Gesangsweisen werden möglichst genau gewahrt. Mzetamze arbeitet deshalb aufgrund von Tonbandaufzeichnungen, neben eigenen benutzt es Aufnahmen aus dem reichhaltigen Archiv des Konservatoriums Tbilissi. Den ethnographischen Zusammenhang, dem die Lieder entstammen, zeigen die Sängerinnen, indem sie Rituale, konkrete Handlungen in die Aufführung miteinbeziehen und die zu gewissen Liedern gehörenden Tänze selbst ausführen.
Mzetamze ist in seiner Heimat mehrmals für seine Arbeit ausgezeichnet worden. Das Ensemble gibt Konzerte, wurde von TV und Radio übertragen, wirkte bei Dokumentar- und Spielfilmen mit und trat an Festivals, an wissenschaftlichen Konferenzen und Symposien auf, auch im Ausland: 1988 in Moskau (Internationales Folklore-Festival), 1990 in Vilnius, Litauen (Folklore-Frühling), 1991 in Riga, Lettland (Festival Baltica 91") und in Berlin (Tage kaukasischer Kultur", zusammen mit den Ensembles Mtiebi und Soinari), wo auch eine CD aufgenommen wurde, auf der Mzetamze vor allem mit Beispielen aus der urbanen Folklore vertreten ist: Soinari, Folk Music from Georgia today, 1993, SM 1510-2).


Traditionelle Musik georgischer Frauen

In der traditionellen georgischen Gesellschaft waren die Tätigkeits- und Lebensbereiche von Frauen und Männer weitgehend getrennt - auch im Gesang: Repräsentative, nach aussen wirkende Gesänge, wie etwa Tafellieder, fallen ganz in die Domäne der Männern. Die Lieder der Frauen sind enger an Brauchtum und Ritual, damit auch an entscheidende Momente im bäuerlichen Jahreslauf bzw. im menschlichen Leben gebunden. Oft tritt zur Verbindung von Wort und Musik im Gesang als drittes Element die koordinierte Bewegung, nicht nur in den eigentlichen Tanz- und Reigenliedern, auch in den Totenklagen oder rituellen Gesängen zur Heilung von Krankheiten und zur Veränderung des Wetters.
Diese Lieder werfen ein neues Licht auf die verwirrend vielfältige Karte der musikalischen Dialekte Georgiens. Sonst wenig beachtete Regionen, in denen die Mehrstimmigkeit weniger ausgebaut ist, zeigen ihr eigenes Profil. Der einstimmige Sologesang erhält sein ihm zustehendes Gewicht. Gerade die Melodik zeigt gegenüber der stilistischen Vielfalt auch überregional einheitliche Züge. Doch gibt es unter den Liedern der Frauen Georgiens auch komplizierte dreistimmige Gesänge, welche jeder Ausführenden ihre eigene Rolle zuweisen. Bei der Aufzählung der Ausführenden werden im folgenden die Sängerinnen nach der zeitlichen Folge ihres Einsatzes genannt: zuerst also die damts'qebi, die Vorsängerin, deren Stimme meist als der Höhe nach zweite weitergeführt wird. In den antiphonen Gesängen werden die alternierenden Gruppen mit I und II gekennzeichnet; die Interpretinnen der kollektiv vorgetragenen tiefsten Stimme werden nicht einzeln aufgeführt, für sie steht die georgische Bezeichnung für diese Stimme, bani.

Uebersicht über die historisch-ethnographischen Regionen Georgiens:

- siehe: map sketch Georgia


1. Wiegenlieder

Wiegenlieder haben in mündlich überlieferten Musikkulturen besondere Bedeutung: Die Teilnahme an der nationalen Klangwelt, die Herausbildung des besonderen Musikdenkens und Musikverständnisses beginnt im frühesten Alter; "an in der Kindheit gehörte und im Gedächtnis verankerte Melodien erinnert man sich während des ganzen Lebens", schreibt Nino Makharadze im Vorwort ihrer demnächst erscheinenden Sammlung georgischer Wiegenlieder. Diese enthält auch mehrstimmige und instrumental begleitete Lieder; Mzetamze hat sich hier auf die einfachste und ursprünglichste Form beschränkt. Sie allein zeigt schon eine beträchtliche Vielfalt: vom additiven Erweitern einer Tonfolge in Tonraum und Dauer (2) bis zur mehrteiligen Melodie eines Strophenliedes (27). Zwei Lieder dagegen beruhen auf demselben melodischen Modell, obwohl sie aus denkbar weit voneinander entlegenen Gegenden stammen: 12 von der Schwarzmeerküste, 18 aus dem bereits auf der Nordflanke des hohen Kaukasus, am Fuss des Kasbeg (5047m) gelegenen Khevi .

- 2. Nanina, Swaneti (Nana Walischwili), aufgezeichnet 1967 in Chopuri (Bezirk Lent'echi) von Mindia Jordania:

- 31. Nanaïla, Swaneti (Nino Macharadze), aufgezeichnet 1985 in Lat'ali (Bezirk Mest'ia) von Josef Jordania.
Zwischen Zeilen ohne bestimmbare Bedeutung sind unregelmässig die folgenden verteilt: "Nana, mein Kind, nanaïla, / nana sag ich dir, nanïla, / wachs heran, werd tüchtig und tapfer, / wachs heran mit gutem Mut, / du wirst in guter Laune schlafen, / du gutes Kind, das wir zu erziehen haben, / die Mutter mög [im Unheil] an deiner Stelle sein, / angenehm mögst du altern."

- 12. Ha nani..., Lazeti (Nino Schwelidze), aufgezeichnet 1961 in Sarpi von Grigol Tschchik'wadze
"Haa, nani, nani, nani, / deine Mutter soll für dich sorgen. // Ich wieg dich, alles würde ich für dich tun. // haa, nani, nani, nani, / deine Mutter soll für dich sorgen, // t'it'i-t'it'i [Kindersprache] macht die Wiege, wachse, du mein tsch'it'a-p'it'i. [p'it'i: Kindersprache: Lämmlein, Zicklein] // Haa, nani, nani, nani, / deine Mutter soll für dich sorgen."

- 18. Nana, Khevi (Nana Walischwili), aufgezeichnet 1960 in Sno (Bezirk Qasbegi) von Mindia Jordania.

- 23. Nana, Khevsureti (Nino Macharadze), aufgez. 1959 in Satch'ure (Bezirk Tianeti) von Grigol Tschchik'wadze.

- 27. Nana, Pschawi (Ketewan Baïaschwili), aufgez. 1980 in Art'ani (Bezirk Tianeti) von Ketewan Baïaschwili.
"Wenn ich dir nana sage, mögst du es hören, / deine Augen mögen mit Schlaf sich füllen, / nanebi, nanebi, nanebi. / schöne Augen hast du. // Deinen Haarschopf wirst du zurückstreichen, / die Mädchen werden dir nachlaufen, / nanebi, nanebi, nanebi, / Junge, du mein lieber."

Wiegenlieder haben nicht bloss die Aufgabe, Kinder zum Schlafen zu bringen. Der Moment des Einschlafens gilt als besonders empfindlicher physiologischer Zustand. So enthalten sie auch Spuren rituellen Brauchtums zum Schutz vor dem Einwirken böser Geister. Dazu gehören die besonderen Gesangspraktiken: ghughuni (gurren, 23) und das in besonders tiefer Lage raunende ghighini (leise, für sich singen, 31), vielleicht auch die Gattungsbezeichnung nana. Oft (2, 18, 23) macht dieses Wort, gelegentlich unterbrochen von Kosenamen, den ganzen Text aus. Als eines der häufigen und zahlreichen "non-sense-Wörter" ist es aber auch in Liedern ganz anderer Art anzutreffen (3). Gleichzeitig bedeutet es im Megrelischen und Lazischen (12) Mutter und ist ein in Georgien seit alters geläufiger Frauenname. Georgische Ethnologen bringen es mit der altorientalischen Gottheit des Lichts und der Fruchtbarkeit, "der grossen Mutter", in Verbindung.


2. Lieder zur Heilung kranker Kinder

Die bat'onebi (Herrschaften "1") sind Geister, sie wohnen jenseits des Schwarzen Meeres. Teile ihres Reiches lassen sie in den verschiedensten Teilen der Welt erscheinen. Sie gehorchen einem höchsten Herrn, welcher, um die Treue der Menschen zu erproben, die bat'onebi in alle Richtungen ausschickt. Ungehorsame sollen sie töten oder versklaven. Tagsüber bewegen sich die bat'onebi auf Maultieren, abends jedoch kehren sie ins Haus des Kranken zurück und ruhen in seinem Körper aus. Den bat'onebi gehorcht man ohne Widerrede, Widerspruch erzürnt sie. Mit Zärtlichkeit und Liebkosungen jedoch kann man ihre Herzen gewinnen und sich vor Unheil bewahren. Den bat'onebi gefallen sanfte Lieder und der helle Klang des Instrumentalspiels.

1) Die georgische Sprache kennt die Kategorie des grammatischen Geschlechts nicht, mit bat'oni kann auch die Mutter der Herrschaften (9) gemeint sein. bat'oni ist ein ausschliesslich weltliches Wort, Gott der Herr wird als upali (Herrscher) angesprochen.

S
olche Vorstellungen liegen den Ritualen zugrunde, die man am Bett an infektiösen Krankheiten leidender Kinder ausführte. Die von den Windpocken (qwawili, wörtl. Blumen) hervorgerufenen Pusteln (vgl. 5: skani kuchuchi, deine Knospen) und die Rötungen der Masern (ts'itela, wörtl. Röte) wurden als Zeichen der Ankunft der bat'onebi verstanden. Der Kranke, sein Bett und sein Zimmer wurden mit farbigen Tüchern und Blumen geschmückt. In rote oder weisse Gewänder gekleidet ging man um ihn herum und trug dabei Gaben für die bat'onebi in der Hand. Man deckte ihnen einen Tisch mit Süssigkeiten und stellte ihnen eine Art Weihnachtsbaum auf. Gesang und Instrumentalspiel waren ein unerlässliches Mittel, mit den bat'onebi in Verbindung zu treten, die Pocken einzuladen, sie zu liebkosen und zu loben. Verschlimmerte sich die Krankheit, ging man zum Ritual des Um-Verzeihung-Bittens (sabodischo) über, zu dem man eine mebodische einlud, eine Frau, welche zu den bat'onebi unmittelbare Verbindung aufnehmen, ihre Wünsche erfahren und ihre Herzen gewinnen konnte. Nach überstandener Krankheit waren die bat'onebi wieder auf ihren Weg zu geleiten.

Die Ethnologin Vera Bardawelidze (Die ältesten religiösen Vorstellungen und die rituelle graphische Kunst der georgischen Volksstämme, Tbilissi, 1957) erkennt in diesen Herrschaften und ihrer obersten Herrin "die matriarchalische grosse Mutter" Nana und ihre Kinder (vgl Text 9). Zwar wird sie nirgends ausdrücklich Nana genannt, doch ist der Name ausser in der megrelischen Version in jedem der nun folgenden Lieder gegenwärtig. Diese gleichen sich nicht nur im Text; auch melodisch benützen die meisten von ihnen eine einheitliche Formel, von der Elemente auch in anderen Gesängen zu hören sind: im Wiegenlied aus Pshavi (27), im Reigen bei der Geburt eines Sohnes (32) oder in Gonja (1) und Elia (35), die eine Aenderung des Wetters beschwören.

- 17. Iavnana..., Ratsch'a (Nino Schwelidze und Nat'o Zumbadze, soli), aufgez. 1962 im Bezirk Oni von Mindia Jordania.
"O Veilchen, Nana, ihr Herrschaften, o Rosen, ihr Herrschaften, / vergnügt euch, besänftigt euch, o Rosen, ihr Herrschaften."

- 9. Bat'onebis nanina, Wiegenlied der Herrschaften, Imereti, (Nino Schwelidze, Nat'o Zumbadze, Nino.Macharadze, soli); aufgezeichnet 1991 im Bezirk Satschchere von Edischer Garaqanidze
"Naninana, ihr Herrschaften, / naninana, den Herrschaften nana, / vergnügt euch, angenehm, o Herr(in). // Bei der Mutter dieser Herrschaften, / naninana, grosse(r) Herr(in), / steht eine goldene Wiege, / naninana, grosse(r) Herr(in). // Drin liegt das Herrenkind, / naninana, grosse(r) Herr(in), / von Zeit zu Zeit wiegt man es, / naninana, grosse(r) Herr(in), // Von Zeit zu Zeit sagt man ihm nana, / naninana, grosse(r) Herr(in), // naninana, ihr Herrschaften, / naninana, vergnügt euch, Herr(in)."

- 33. Iavnane..., Chewi
(Nat'o Zumbadze)
- 34. Iavnane..., Chewi (Nana Walischwili) aufgezeichnet 1960 in Gorisdziche-Pchelsche (Bezirk Qazbegi) von Mindia Jordania.
Beide Versionen benützen denselben Text:
"O Veilchen, nane, o Rose, nane, o Veilchen, nanine, / das Veilchen streute Rosen aus, o Veilchen, nanine."

- 5. Ia p'at'onepi..., Samegrelo (Ketewan Nik'oladze, Nino Schwelidze, Nat'o Zumbadze, soli); aufgezeichnet 1989 im Bezirk Ts'alendschicha von Nat'o Zumbadze
"Veilchen, ihr Herrschaften, / Veilchen sind euch gestreut und Rosen, / Veilchen sind euch gestreut und Rosen, / meine Liege und deine Knospen, / deinen Kranken die Wunden heile, Mutter."


3. Zur Veränderung des Wetters

Bei Dürre bzw. Dauerregen, aber auch zu festen Zeiten, nach dem Pflügen und Sähen wurden Rituale ausgeführt, welche eine Einwirkung auf das Wetter anstrebten. Alle drei hier aufgenommenen Lieder stammen aus der ostgeorgischen Region K'akheti, doch sind sie auch in anderen Regionen überliefert (z.T. unter Anrufung anderer Heiliger, z.B. Lazare in Kartli).

- 1. Gondscha, K'acheti; aufgezeichnet 1955 im Bezirk Qvareli von Grigol Tschchik'wadze, (I: Nat'o Zumbadze, Ketewan Baïaschwili; II: Nino Schwelidze; bani "2")
Jede Zeile des Textes wird von einer zweiten Gruppe wiederholt. Die erste Gruppe singt ihn drei-, die zweite zweistimmig."2" kollektiv gesungene tiefste Stimme
"Die gondschaoba, die umgeht, tritt unter die Tür, / tritt hin, tritt her zum Bord, gleicht schon dem Mond, / ah, Barbare-Barbare, verjag die Wolken vom Himmel. / Sieb scheint Sieb geblieben, Gutwetter beeilt sich schon, / die gondschaoba, die umgeht, tritt unter die Tür."
Mit Gonschja (zu gondschi, hässlich) ist eine Puppe aus kreuzweise verbundenen Stäben in Menschengrösse gemeint, die, mit Lumpen behangen, ev. mit Lehm verschmiert, von den Frauen von Hof zu Hof getragen wurde. Strebte man schönes Wetter an (1), so versuchten die Zuschauer die Puppe und ihre Trägerinnen mit Asche zu bestreuen; galt es Regen zu erreichen, sangen die Frauen einen leicht veränderten Text (35) und wurden mit Wasser bespritzt. In jedem Haus wusste man, dass man zum Gelingen des Rituals das Seine beizutragen, etwas von seinem Bord zu nehmen und der umherziehenden Gruppe zu spenden hatte. Erwies sich jemand als geizig, wurde die Puppe zur Erde gesenkt, was für seine künftige Ernte schlechte Auswirkungen haben konnte. Der Umzug endete mit einem Festessen, an dem die Spenden gemeinsam verzehrt wurden.

- 35. Elia, K'acheti (Nat'o Zumbadze, Ketewan Baïaschwili, Nana Walischwili, soli), aufgez. 1980 im Bezirk Sagaredscho von Josef Jordania.
"Lob und Dank Gott, Gott Lob, / dieser Elia, Elia, / kam vom Himmel herunter. // Lob und Dank Gott, Gott Lob, / Sieb scheint Sieb geblieben, / Regen beeilt sich schon. // Lob und Dank Gott, Gott Lob, / wir brauchen keine trockenen Schollen mehr, / Gott, gib uns Schlamm, / preiswürdiger, du unser Gott. // Lob und Dank Gott, Gott Lob."
Statt der hl. Barbara (vgl. auch 37) wird Elia angerufen, der alttestamentliche Prophet, der dem Volk Israel Dürre und Regen voraussagte. Er gilt in vielen Gegenden Georgiens als eigentlicher Wettermacher. Der Gleichklang seines Namens mit dem georgischen Wort für Blitz elva, passt bestens zu seiner biblischen Himmelfahrt im Feuerwagen. Beim Sieb (tskhavi) in der merkwürdigen Formel tskhavi atskhavebula, "Sieb mag Sieb geblieben sein" handelt es sich um ein grosses z.B. für Getreidekörner verwendetes Gerät. Es dürfte für alle Haushaltsgeräte stehen, welche bei der drohenden Missernte ihre Funktion verlieren.

- 11. Gutnis dat'ireba, Weinen über dem Pflug, K'acheti (I: Nana Walischwili; II: Ketewan Baïaschwili, bani), aufgezeichnet 1963 im Bezirk Qwareli von Mindia Jordania
Das Ritual "Weinen über dem Pflug" ist nur in K'acheti bekannt. Dat'ireba bedeutet einen Verstorbenen beweinen. Wie in den Totenklagen (die in K'akheti durchaus zweistimmig sein können) wird der Text als freies Rezitativ über einer zweistufigen Bordunstimme vorgetragen. Er verwendet keine verschlüsselten Formeln und kennt weder Metrum noch Reim. Wie bei der gondschaoba sammelten Frauen Spenden im Dorf. Darauf begaben sie sich zum Fluss, wo sie sich gegenseitig bespritzten. Oft stellten sie einen Pflug ins Wasser, vor den sich zwei als Ochsen spannten, als wollten sie das Wasser pflügen. Wie alle Wetterrituale ist das Weinen über dem Pflug Frauensache; Männer sind erst beim abschliessenden Festmahl zugelassen.
"I: Kommt, Weiber, versammelt euch, / lasst uns gehen, zu Gott flehen, / sonst werden wir versengt und verbrannt, vielleicht gewährt er uns etwas Tau."
"II: Wir werden gehen, Nanula, werden gehen, Weiber, Gott bitten, vielleicht wird er uns erhören. / Gott, du ehrwürdiger, wir bitten dich, wir flehen dich an, erachte uns Taus für würdig."
"I: Kümmere dich um diese [Welt in] Sünd-und-Gnade, mache uns nicht die Ernte zunichte, / befind uns ein wenig Regens für würdig, schliess uns nicht von deiner Gnade [wörtl.: vom Abendmahl] aus."
"II: Gott, du ehrwürdiger, der du immer in Erinnerung zu rufen bist, wir bitten dich, flehen dich an; / wir sind deine Kinder; wie du uns geboren hast, so lass uns bleiben."
"I: Wir hoffen, Gott, dass du dich um unsere [Welt in] Sünd-und-Gnade kümmerst, ein wenig Taus befind uns für würdig, lass uns nicht verbrennen, / die ganze Welt steht im Feuer, nun, blick herunter auf uns, in was für einer Lage wir sind, / Gott, du lieber."
"II: Fürchtet euch nicht, Gott wird seine Hand nicht von uns nehmen. / Es gab schlimmeres als das, und wir sind doch am Leben."


4. Arbeit

Die mit der Arbeit verbundenen Lieder georgischer Frauen sind bescheidener als jene der Männer, kollektive Arbeit ist bei ihnen seltener. Oft versammelten sie sich auch, wenn die Arbeit selbst es gar nicht unbedingt erforderte. Dann diente Gesang in erster Linie der Unterhaltung, wie im folgenden Lied der Spinnerinnen, das launig Wort- und Reimspiele mit Motiven aus Liebesliedern verbindet.

- 3. Chertlis naduri, Lied der Gemeinschaftsarbeit an der Spindel, Atsch'ara (N. Schwelidze, K. Baïaschwili, bani), aufgez. 1973 in Batumi von Ewsewi Tsch'ochonelidze
"Oj, nani da nana, die Spindel hat mir die Hand aufgerieben, / die Spindel, die zerbrechen möge. / Er versprach mir [Treue], er täuschte mich, / er, der den Hals sich brechen möge. / Auf der Hechel ist mir Wolle geblieben, / von dir ist mir Respekt geblieben. / An die Quelle hab ich den Ochsen getrieben, / den roten, den Gehörnten. / Das Mädchen, mit dem ich mich verabredete, / hat Haare, lang bis zu den Knöcheln. / Die Spindel hat mir die Hand aufgerieben, / die Spindel, die zerbrechen möge."

- 6. Dzrochis ts'welisa, Beim Melken Mtiuleti (Nana Walischwili), aufgezeichnet 1984 in Gudamaqari (den Alpen zwischen Mtiuleti und Pschawi) von Nana Walischwili
-Mit dedo (was vielleicht nicht zufällig an deda, Mutter anklingt) wird die Kuh angesprochen. Kosenamen und Drohungen (tschemo schweliaw: mein Reh; sche samglew: du Wolfsfrass) sollen sie beruhigen.
- 7. Dzrochis ts'welisa, Beim Melken Pschawi (Ketewan Baïaschwili), aufgezeichnet 1983 in Tianeti von Ketewan Baïaschwili.
Dedo, ... mein Töchterchen, / steh, was schlägst du mit diesem Schwanz da, du Wolfsfrass du, vergiss mir nicht die Milch! / Dedo, ... lass die Milch laufen, halt mir die Milch nicht zurück, / dedo, ... Platz, Kuh, Platz, / dedo, ... steh, steh, steh, / dedo, ... ho, / dedo, ho, Töchterchen, steh, Töchterchen, steh."

- 10. Zuzuni, Summen, Pschawi (Ketewan Baïaschwili), aufgezeichnet 1987 in Lisho (Bezirk Tianeti) von Ketewan Baïaschwili, wird während verschiedener Arbeiten gesungen, sehr leise und unbedingt allein. Seine erst am Zeilenende auf den Grundton absteigende Melodie zeigt eine enge Verwandtschaft mit den Totenklagen, ebenso der improvisierte Text, obwohl er privaten Charakter hat: Er gilt einem Jugendgeliebten, der in einer Lawine umkam.
"Mein Unglücklicher, dein Schicksal bewein ich, / du, mein die Sonne verdunkelnder, / meiner Quelle Wasser austrocknender, / meine Augen ausfüllender, / du, mein den Tag zur Nacht machender, / meine Stimme zum Verstummen bringender, / das Herz mir austrocknender, / du, um dessentwillen ich in Schwarz gehe, / mein mich die Freude vergessen machender, / mein mir die Tränen versiegen lassender, / kämest du doch mit dem Licht der Sterne, / liessest du dich doch von Zeit zu Zeit sehen, / du, nach dem ich mich auch im Traum sehne. / Traurig bin ich ohne dich, / ich weiss nicht einmal, wo ich dich suchen soll."

Die Korkali aus Ratsch'a sind fest im Brauchtum verankert und mit einer ganz bestimmten Arbeit, der Getreideernte, verbunden. In dieser Bergregion sind die Felder oft so klein, dass kollektive Bearbeitung keinen Zweck hat. Während Melodie und Bezeichnung (Korkali bedeutet Wimmern) deutlich auf die Totenklage verweisen, gehört die Thematik der Texte in den Bereich der Erntelieder, in denen Liebe, die Erwartung des aufs Feld gebrachten Mittagessens usw. oft abgehandelt werden. Eine ähnliche Verbindung gehen die in den ostgeorgischen Hochgebirgsregionen während des Heuens von Männern gesungenen Gwrini (Trauerweisen) ein. Diese Verbindung von Totenklage und Erntelied ist kein Zufall: Nach vor allem im Hochgebirge überlebenden Vorstellungen haben die Verstorbenen einen bedeutenden Einfluss auf die Lebenden. Sie können auch auf die Fruchtbarkeit der Felder einwirken: In Tuscheti etwa werden am Gedenktag der Verstorbenen Getreidekörner auf die Gräber gestreut, während man um eine gute Ernte bittet.

- 21. Korkali, Leises Klagen, Ratsch'a (Nat'o Zumbadze), aufgezeichnet 1962 im Bezirk Oni von Mindia Jordania.
"Jenseits des Wassers stehen Kirschbäume, / um sie scharen sich Frauen. / Auf einen Blick erfahren wir, / welche von ihnen mit uns fühlt. // Jenseits des Wassers eine schöne Frau / begann uns mit dem Schleier zu winken. / Hier entbrannte in uns Verlangen, / dort winkte sie so sehr."

- 29. Korkali, Leises Klagen, Ratsch'a (Nino Schwelidze), aufgezeichnet 1962 im Bezirk Oni von Mindia Jordania
-"Kuckuck, was rufst du über uns, / die ohne Frühstück, ohne Mittagessen, / ruf dann uns zu, Kuckuck, / wenn das Feld bestellt ist. // Von schwarzem Fels ein schwarzer Rabe, / gleich beginnt er zu fliegen und stürzt hinunter, / hinunter, um sich an Aas zu sättigen, / [wieder] aufzufliegen wird er zu faul sein."


5. Totenklagen

Hochzeiten und Trauerfeiern gehören heute noch zu den aufwendigsten Anlässen im Leben einer georgischen Familie. Sie können sie leicht an den Rand des materiellen Ruins führen. Freude wie Trauer steigern sich in der Gemeinschaft; sie sind in ihr auch leichter zu ertragen. Entsprechend der patriarchalischen Ordnung (die Braut verlässt ihre Sippe und wird Mitglied jener des Bräutigams) dominiert auf den Hochzeiten der Gesang der Männer. Bei den Trauerfeiern spielen Frauen die Hauptrolle. Die betroffene Familie macht den Tod eines Angehörigen durch lautes Schreien bekannt, Nachbarn und Verwandte eilen herbei. Der Tote liegt fünf bis sieben Tage lang im Hause aufgebahrt, damit er von allen gebührend betrauert werden kann. Nachts wachen junge Leute an seinem Sarg. Bis zur Beerdigung und an dieser selbst wird er von Morgen bis Abend beklagt. Nicht nur Familienangehörige beklagen ihn, es gibt Spezialistinnen des weitgehend improvisierten t'irili (Totenklage, wörtl. Weinen), die sog. mot'irali (Klageweiber). Als solche galt die während einer Trauerfeier aufgenommene Eliso Lomaschwili. Man lud sie ihrer Kunst wegen eigens zu Trauerfeiern ein; kam sie einmal aus eigenem Antrieb, so galt das als grosse Ehre für den Verstorbenen und seine Familie. Ihre Klage zeichnet sich abgesehen von der bildhaften Sprache durch ein neunsilbiges Metrum aus, das in der mündlich überlieferten Dichtung sonst kaum anzutreffen ist.

- 19. Kvitinit t'irili, Klage mit Schluchzen, Pschawi (Ketewan Baïaschwili; bani), aufgezeichnet 1982 in Art'ani (Bezirk Tianeti) von Ketewan Baïaschwili
"Sonne, was kannst du immer noch scheinen, / Tag, was kannst du lachen. / Himmel und Wolken erstaunen mich, / warum fangen sie nicht zu weinen an. / Hab ich denn die Kraft zu reden, / über die Würde eines solchen jungen Mannes. / Für dich allein bist du nicht gestorben, / du bist für unser Dorf und Geschlecht gestorben. / Wäre mir doch die Kraft gegeben, / das Grab mit Tränen zu füllen. / Steh auf, kehr zurück in deine Familie! / Wie bitter hast du doch deine Mutter gemacht. / Gott wird unsere Tränen als gerecht erkennen. / Schwarz [gekleidete] folgen wie Schatten hinter dir. / Gesprochen: Wie bitter hast du uns mit deinem Tod gemacht.
Die unmittelbar vor und während der Beerdigung ausgeführten t'irili sind keine solistischen Gesänge. Jede Zeile muss durch die mokvitine, die um den Verstorbenen sitzenden Schluchzenden, bekräftigt werden, durch Schluchzen (kvitinit t'irili, klagen mit Schluchzen) oder durch eigentlichen Gesang (chmit t'irili, klagen mit der Stimme). Zusammen mit der expressiven Gestik, den rhythmischen Bewegungen, mit welchen die mot'irali ihren Vortrag begleitet, ergibt sich ein dramaturgisches Ganzes. Der Gesang hat nicht bloss zur Aufgabe, die Hinterbliebenen zu trösten. Nach traditioneller Vorstellung erleichtert dieser auch dem Verstorbenen den Berggang ins Jenseits, er soll die Erde erweichen.

- 26. Chmit t'irili, Klage mit Stimme, Chevi (Nana Walischwili; bani), aufgezeichnet 1960 in Gorisdziche-Pchelsche (Bezirk Qazbegi) von Mindia Jordania
"Beeile dich, bald wird es Nacht für dich, / der du von grosser Arbeit, grosser Wohltat bist. / Fürchte dich nicht, es ist das schwarze Land [der Toten]. / Die schöne Stirne leg nicht in Falten, / von den schönen Augen sollen keine Tränen fallen, / es ist das schwarze Land [der Toten], fürchte dich nicht. / Ach, du verfluchter Frühling, / ergrünt sind Berg und Tal, ihr Leute, / warm ist der Mai geworden, / alle Lebewesen werden erscheinen, du Elender, / dein schönes rechtes Auge werden sie finden: / Du Elender, fürchte dich nicht, / glaub nicht, es sei die Hand deiner Mutter, / die schönen Augen und die breiten Schultern werden dir zerfallen. / Ach, wäre Eure Mutter an Eurer Stelle. / Macht Ihr Euch denn keinen Kummer um Eure Mutter, die Ihr gegangen seid? / Erde wird man Euch auf die Brust streuen. / Geh, durchschreite das Tor in Frieden. / Du wirst dich fürchten, du Lieber."

- 30. T'irili, Totenklage, Imereti (Nato Zumbadze, Ketewan Baïaschwili), aufgezeichnet 1991 in Sawane (Bezirk Satschkhere) von Edischer Garaqanidze
Hier führt die Form des Dialogs zwischen mot'irali und mokwitine zur Gleichzeitigkeit. Die erste spricht direkt den verstorbenen Irakli an, wenn sie seinen "zur Unzeit" erfolgten Tod bedauert, seine Verdienste gegenüber Familie und Regierung und seine Kinder rühmt. Die zweite dagegen wendet sich an die erste. Kalo, Frau; nennt sie sie einfach, sobald sie vom Schluchzen zum Sprechen übergeht. Vergleichbar dem Chor in der antiken Tragödie gibt sie den Gedanken der Zuhörer Ausdruck. Wenn auch sie zu singen beginnt, gesellt sich zur inhaltlichen Koordination nach und nach auch eine musikalische. Zwar bleibt die Eigengesetzlichkeit der Stimmen gewahrt, doch verwenden beide Ausschnitte aus denselben bzw. aus eng verwandten Skalen, die sich nur in der Höhenlage unterscheiden.
"I: [...] Nun, du weisst, musst du deine Kinder segnen. Deine Kinder werden dem Feind keine Freude machen.
Irakli, Irakli, Irakli, du unser guter Nachbarsmann, du weisst, du musst deine Nachbarn segnen, erleuchte uns die Augen, allen die gekommen sind und dich geehrt haben, alle segne und deine Kinder, geh nun, geh. [...]
Nicht schmerzen soll dir das Herz, nicht schmerzen, nach diesem Leben hier, alle sind wir zeitlich und alle auf dem Weg zu dir, weh, weh, weh, weh, weh. Geh in Frieden, du lieber."
"II: [...] Alle, alle, die wir selbst wie begraben sind, soll er segnen, Frau.
Was kann dem erbarmenswürdigen helfen, wenn ihm seine Rechte (Hand) erbleicht?
Zu erbarmen ist er, dass er die Seinen nicht mehr sehen kann, Frau, er kann nicht mehr kommen, nicht mehr gehen in seinem Leben, Frau.[...]
Unter dieser elenden Erde sind wir alle, niemand kann ihr entgehen, Frau, ihr werdet nicht weniger werden, Frau, nein, sie ist voll bis zum Hals, und auch dort, im Jenseits wird es so sein für den armen, Frau."

- 37. Zruni, Totenklage Ratsch'a (Nana Walischwili, Nat'o Zumbadze, bani), aufgezeichnet 1958 im Bezirk Oni von Grigol Tschchik'wadze.
Im Berggebiet von Ratsch'a sind dreistimmige Trauergesänge überliefert, die bei besonders feierlichen Trauerfeiern ausgeführt wurden. Ihre Bezeichnung Zruni wird im Wörterbuch des georgischen Enzyklopädisten Sulchan Saba Orbeliani (1658 - 1725) mit "Begleitung eines Trauergesangs" erklärt, was darauf hinweist, dass sie ihrerseits als Hintergrund für die Totenklagen dienten, wie die mehrstimmigen, textlosen Zari (Entsetzen; Wehklage; Totenglocke) der Männer, die, einst in ganz Westgeorgien verbreitet, in Svaneti heute noch gebräuchlich sind. Den Zruni der Frauen aus Ratsch'a liegen allerdings Texte zugrunde, die auf die konkreten Umstände keinen Bezug nehmen. Unser Text gedenkt der Beerdigung des hl. Königs Wachtang Gorgasali (446 - 502). Mit der angesprochenen Barbale dürfte die hl. Barbara (vgl.1), nicht die zu Grabe getragene Person gemeint sein.
"Als Wachtag, o Barbale, ole, der König starb, / oi da, kleidete der Himmel sich in Grau. // Edle, o Barbale, da ole, und Bauernschaft, / oi da, schickten sich an, ihn zu beweinen. // Der Himmel, Barbale, ole, versammelte Wolken, / oi da, mitten auf dem Weg hat es gedonnert. // Deine armen, Barbale, da ole, Eltern, / oi da, konnten deine Krone nicht sehen."



- Gedenktotenklagen

Mit dem Begräbnis sind die Trauerrituale keineswegs abgeschlossen. Noch heute wird in Trauerfamilien während eines ganzen Jahres nicht musiziert, eine Regel die selbst in Tbilissi, wo die Totenklagen nicht mehr üblich sind, noch bestens bekannt ist. Der Verstorbene wird weiterhin beklagt, an bestimmten Tagen auf dem Friedhof, aber auch zuhause, bei seinem Bett oder über seinen ausgebreiteten Kleidern, und während der Arbeit (Zuzuni, 10). Diese Gedenktotenklagen sind solistisch, die bei der eigentlichen Trauerfeier unerlässlichen refrainartigen Schluchzer oder gesungene Einwürfe der Gruppe fehlen.

- 14. T'irili, Klage,Tuscheti (Ketewan Baïaschwili), aufgezeichnet 1967 in Alwani (Bezirk Achmet'a) von K'achi Rosebaschwili.
"Bruder, dir wird die Schwester sterben, deine Schwester ist am Ende, / zu Grunde gegangener Bruder, vor lauter Arbeit gestorbener, / dahingeschwundener Bruder, dein Unheil über mich, / dahingeschwundener Bruder, zu Grunde gegangener Bruder, / als toter und lebender ein Gast der Heimat, / du wie ein Wind über der Heimaterde wehender, / Bruder, zu Grunde gegangener Bruder, die Schwester stirbt dir, / deine Schwester ist am Ende, Bruder, dein Unheil über mich."

- 16. Tschemo dav..., Meine Schwester... Schawscheti (Ketewan Nik'oladze), aufgezeichnet 1986 in Bursa (Nordwestanatolien) von Peter Gold (vgl. 36).
"Meine Schwester, warum hast du mir so bald meine Welt zunichte gemacht, meine Schwester? / Meine Schwester, warum gingst du mir aus dieser Welt so schnell fort, meine Schwester? / Meine Schwester, was will ich nach dir noch leben, meine Schwester? Warum liessest du mich zurück, in dieser eitlen Welt, meine Schwester? / Meine Schwester, was soll ich tun nach dir, in dieser trügerischen Welt, meine Schwester?"



- Lied-Totenklagen

Elemente der Totenklagen sind auch ausserhalb der Trauerrituale anzutreffen (Korkali, 21/28, 29). In Tuscheti, Georgiens östlichster Hochgebirgsregion, sind sie gar als vom Brauchtum unabhängig gewordene Lieder anzutreffen, begleitet von dem dort besonders populär gewordenen im 19. Jahrhundert aus Russland eingeführten Akkordeon (garmoni) oder in dreistimmiger Gestalt.

- 8. Tschem zalo..., Meine Schwiegertochter..., Tuscheti, aufgez. 1967 in Zemo Alwani (Bezirk Achmet'a) von K'achi Rosebaschwili (Ketewan Nik'oladze, Gesang und Akkordeon)
"Meine Schwiegertochter, du meine anmutig-tüchtige, / die du deine Stimme nie bis zu den Nachbarn im Dorf dringen liessest, / von der die Gäste stets wohl bewirtet weggingen. // Jetzt brauchst du Tränen, soviele wie der Himmel Regentropfen hat, / Klagefrauen brauchst du, soviele wie Sterne am Himmel stehen, / ich möchte selber sterben, meine Schwiegertochter, meine gute. // Ich werd dich nicht mehr sehen können, wie du durch die Tür trittst, / noch das Bett, auf dem meine Schwiegertochter einst lag, / ich möchte selber sterben, du vom Schicksal verdammte. // Du Wasser, das so still wie aus einer Lache entflossen ist, / du Morgen-Tau, der niemals den Menschen Schaden bringt, / sterben möchte die Mutter, meine Schwiegertochter, du gute."

- 24. Deda mogik'vdesa..., Die Mutter möchte dir sterben..., Tusheti, aufgezeichnet 1987 in Dartlo (Bezirk Achmet'a) von Josef Jordania, (Nino Schwelidze, Nino Macharadze, Nat'o Zumbadze, soli)
"Die Mutter möchte dir sterben, du mein Kind, Mutter, / die Mutter ist am Ende, deine eigene Mutter. // Kind, wohin bist du gezogen mit Sack und Hirtenmantel, / wo hast du den Hirtenstab gelassen, der an deiner Seite war? // Kind, deinem Pferd werfe ich über / den schwarzen Zaum, lasse es hinaus in Wald und Feld. // Die Mutter möchte dir sterben, du mein Kind, Mutter, / die Mutter ist am Ende, deine eigene Mutter."



6. Tanzlieder

Ein besonderes Vergnügen, bei dem sich gelegentlich auch Mädchen und Burschen abwechselten, ist die Schaïroba, der Wettkampf mit Stehgreifversen. Zu mehr oder weniger feststehenden musikalischen Modellen werden immer wieder neue Verse improvisiert. In den folgenden Schaïrebi entsprechen nur die Musik und der Refrain einer Feldaufnahme. Der Text bietet ein scherzhaftes Selbstportrait von Mzetamze und seiner unermüdlichen Sammeltätigkeit.

- 38. Shaïrebi satsek'vaoti, Verse mit Tanz, K'acheti (Nana Walischwili, Gesang und Panduri, Nino Schwelidze, Nat'o Zumbadze, Ketewan Baïaschwili, bani), aufgezeichnet 1986 im Bezirk Qwareli von Nat'o Zumbadze.
Nunu: "Auf Stehgreifverse seid ihr aus mitten im Frühling, gleich werd ich alles in Erfahrung bringen, was ihr auf dem Herzen habt. (Refrain)"
Nat'o: "Immer führt ihr das Alter an, wenn in die Stimme sich Krächzen mischt, wenn ihr Gesang und Versesprechen mischt. (Refrain)"
Nana: "Mädchen, schau her zu mir, bist du Ketho, bist du Savle, deine Heiratsvermittlerin möcht ich sein, will dein Herz erfreuen. (Refrain)"
Ketho: "Wenn ich wirklich heiraten wollte, wäre das denn etwa schwierig, begännst du zu vermitteln, nichts hättest du zu tun. (Refrain)"
Nana: "Ihr geht von Dorf zu Dorf, seid davon ganz vor den Kopf geschlagen, wo auch konntet ihr nur finden, Verrückte in so grosser Zahl? (Refrain)"
- Refrain: "Heri, Junge, herio, eben dafür singe ich, wenn wir so uns freuen, was kann der Feind uns schaden, heri, Junge, herio, ebendafür singe ich."
Bei solchen abendlichen Vergnügungen geht leicht eins ins andere über. Mit den Worten t'ashi, t'ashi werden die Umstehenden zum Klatschen aufgefordert, gleich wird jemand in ihren Kreis treten und zu tanzen anfangen.

- 22. Satsek'vao pandurze, Tanzstück für Panduri K'akheti (Nana Walischwili, Panduri), aufgezeichnet 1986 im Bezirk Qwareli von Nat'o Zumbadze.
Auf der Laute Panduri werden in ganz Ostgeorgien Lieder und Tänze begleitet. Klangkörper und Hals dieses Instrumentes werden aus einem einzigen Stück Holz hergestellt, seine Rückseite oft mit Schnitzereien verziert. Das Griffbrett ist mit diatonischen Bünden versehen. Die drei traditionell aus Därmen gedrehten Saiten werden in Sekund und Quart zur Bass-Saite gestimmt. In Spiellage zuoberst liegend, mit dem Daumen heruntergedrückt, übernimmt sie die Funktion der zweistufigen Bourdonstimme, die in den ostgeorgischen Liedern so häufig anzutreffen ist.

Dem folgenden Tanzlied (wie auch 16 und 25) liegt eine Aufnahme des amerikanischen Musikethnologen Peter Gold zugrunde, welche 1968 in Westanatolien entstand. (Georgian Folk Music from Turkey, Ethnosound Records EST 8002, 1972). Hieher, in den Distrikt Bursa, wurden vor dem russisch-türkischen Krieg 1877/78 Einwohner jener südgeorgischen Regionen umgesiedelt, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter osmanische Hoheit geraten und islamisiert worden waren. Sprache und Wissen um ihre Herkunft (z.B. die Kenntnis ihrer georgischen Familiennamen) haben sie bewahrt. 1918 musste die erste georgische Republik Schawscheti, ihre Heimatregion, wieder an die Türkei abtreten, während das nördlich angrenzende Atsch'ara georgisch blieb.

- 36. Nardanina..., Schawscheti (Nino Schwelidze), aufgezeichnet 1986 in Bursa (Nordwestanatolien) von Peter Gold.
-"Der Bach hat ein Stück Holz gebracht, / abgeschnitten vom Pappelbaum, / steh still, Bach, sage mir, / was Ali für mich aufgetragen hat. // Auf jenem Ufer die Tauben, / Mädchen, warum scheust du mich? / Weil du gar so schön bist, / bist du für mich herangewachsen?"

Verwandte Texte sind in Ostgeorgien vielerorts bekannt. Meist haben sie jedoch eine andere Fortsetzung: Der Fluss berichtet über den gewaltsamen Tod des fernen Geliebten.


7. Reigenlieder

Ein weiteres von Peter Gold aufgezeichnetes Tanzlied konnte Mzetamze als Hochzeitslied identifizieren, von dem in Atsch'ara nur noch der Text bekannt war. Entsprechend dem Frage- und Antwortspiel des Textes gestalten sie es als Wechselgesang.

- 25. Vin mogit'ana..., Wer hats dir gebracht? Schawscheti (I: Ketewan Nik'oladze, bani; II: Nino Macharadze), aufgezeichnet 1986 in Bursa (Nordwestanatolien) von Peter Gold.
"Woj, diese schönen Pantoffeln, / wer hat sie dir gebracht, woj? // Mein Lieber, mein Süsser, / er brachte sie mir, woj."
Beim Schmücken der Braut gesungen, ändern sich in den sechs folgenden Strophen nur die Gegenstände: Kette; Halstuch; Seide für ein Kleid; Ohrring; Fingerring.

Die musikalische Form des Wechselgesangs ist sehr oft verbunden mit seiner Ausführung als Reigentanz (perchuli). Reigenlieder (saperchulo) bilden innerhalb der traditionellen Musik Georgiens eine der bedeutendsten und mit ihrer organischen Verbindung von Wort, Gesang und Tanz eine der urtümlichsten Gruppen. Im Gegensatz zu den Tänzen (tsekwa), welche den Ausführenden individuelle Kunstgriffe erlauben, sind die Reigen strenger in der Form, verlangen zurückhaltendere Bewegungen und Unterordnung unter die Gruppe. Die meisten haben einen mehr oder weniger offensichtlichen brauchtümlichen oder rituellen Hintergrund.

- 32. Mze schina..., Reigen bei der Geburt eines Sohnes, Guria (Nat'o Zumbadze, Nino Schwelidze; bani), die einzige Aufnahme auf dieser CD, welcher nicht eine Life-Aufzeichnung zugrundeliegt. Aus der kurz nach 1900 vom Begründer der georgischen Volksmusikforschung, Dimitri Araqischwili, in Noten aufgezeichneten Version für Solostimme und Begleitinstrument hat Grigol Tschchik'wadze eine zweistimmige rein vokale Fassung rekonstruiert. Sammler, die bloss den Text festhielten, und z.T. bis ins 18. Jahrhundert zurückgehende literarische Quellen überliefern, dass dieser Reigen nach der Geburt eines Sohnes nach Sonnenuntergang gesungen wurde. Sein rätselhafter Text wurde von georgischen Ethnologen mit Astral-Kulten in Verbindung gebracht, von welchen alte Chroniken berichten.
"Sonne drinnen, Sonne draussen, Sonne komm herein. / Uns ist ein Sohn geboren, Sonne, komm herein. / Des Sohnes Vater ist nicht zu Hause, Sonne, komm herein, / ist in der Stadt für eine Wiege, Sonne, komm herein. / Die Sonne hat sich hingelegt und den Mond geboren, Sonne, komm herein."

Die folgenden zwei dreistimmigen Reigen aus dem westgeorgischen Hochgebirge gehören zu den eher seltenen Beispielen, die sowohl von Frauen wie auch von Männern ausgeführt werden können:

- 20. Dala k'odschas khelghwazhale..., Dali gebiert auf einem Felsen..., Swaneti (I: Ketewan Nik'oladze, Nino Schwelidze; II: Nana Walischwili und Ketewan Baïaschwili; bani), aufgez. 1985 in K'ala (Bezirk Mest'ia) am Feiertag des hl. K'virik'e (k'virik'oba) von Josef Jordania
"Dali gebiert auf einem Felsen, / gebiert auf einem weissen Felsen, / oben kreisen Raben, / unten wartet ein Wolf."
Diese vier Strophen bilden nur den Anfang der mythologischen Erzählung von Dali, einem göttlichen Wesen von bezaubernder Schönheit, der Beschützerin des Wildes in der unberührten Natur. Ein Jäger rettet das vom Felsen gefallene Neugeborene aus den Klauen des Wolfs. Er weiss von dem ambivalenten Verhältnis, das Dali zu seinesgleichen hat. Zwar wählt sie gelegentlich einen zum Liebhaber, ist aber von strengster Eifersucht und verbietet ihm den Umgang mit menschlichen Frauen. So wählt er unter den drei Belohnungen, die Dali ihm anbietet, die scheinbar harmloseste, den jährlichen glücklichen Abschuss von neun Steinböcken. Dennoch kommt er nicht glücklich davon: Einer der Steinböcke hat goldene Hörner. Von ihm prallt die Kugel des Jägers ab und springt auf dessen Stirn zurück. Er hatte vergessen, dass besondere Kennzeichen eines Tieres bedeuten, dass Dali ihre Gestalt angenommen hat.

- 15. Dschamata, Ratsch'a (I: Ketewan Nik'oladze und Nino Schwelidze; II: Nat'o Zumbadze und Nana Walischwili, bani), aufgez. 1958 in Glola (Bezirk Oni) von Grigol Tschkhik'wadze.
Der Wechsel von einer Gruppe zur anderen wird auf eigenartige Weise versteckt, in dem die zweite Gruppe das letzte Motiv der ersten (auf die bedeutungslosen Worte ole, lile) einen Ton höher wiederholt. Der Text berichtet vom unrühmlichen Ende des swanischen Räubers Dschamata, der mit seinem Trupp das westlich von Svaneti im Bergland von Ratsch'a gelegene Dorf Ghebi überfallen und ausgeraubt hatte. Bei den äusserst harten Existenzbedingungen im Hochgebirge (das swanische Dorf Uschguli liegt ca. 2300 m über Meer) waren blutige Fehden und Raubzüge keine Seltenheit.
"Ole, lile, o, armer Dschamata, ole, lile, o, / ole, lile, o, Ghebi verfolgt dich und deine Schar, ole, lile, o, / ole, lile, o, in den Rücken hat dich das Gewehr getroffen, ole, lile, o, / ole, lile, o, Blut läuft dir in Strömen, ole, lile, o."

In den Hochgebirgsregionen Georgiens prägten (und prägen zum Teil heute noch) religiöse Vorstellungen und Praktiken den Jahreslauf und das soziale Leben der Menschen, welche mit dem Kanon der georgisch-orthodoxen Kirche oft nur den Namen gemeinsam haben: Vorchristliche Vorstellungen mögen in diesen schwer zugänglichen Gebieten weitergewirkt haben oder in Zeiten der Schwäche des Königreichs wiederaufgelebt sein. An den religiösen Feiern sind fast alle Handlungen Männern vorbehalten. Frauen haben zu den zentralen Ritualen und den heiligen Stätten gehörige Distanz einzuhalten. In Chevi gibt es davon eine Ausnahme.

- 4. Pechisa, Reigen, Chevi, aufgezeichnet 1960 in Qazbegi von Mindia Jordania (Nana Walischwili; bani).
"Haj, Preis dem Erleuchter, / Preis K'vire dem Gotteskind, / Preis und Preis allen Heiligen. / Versieh uns mit Eurer Gnade. / Wir sind auf Euer Feld gekommen / mit Kerzen und mit rituellem Gebäck. / Preis dem Erleuchter. / Haj haj, grossen Preis."

Der Licht-Bringer, natlismtsemeli, ist Johannes der Täufer. Das georgische Wort für taufen, natlis tsema, bedeutet wörtlich übersetzt: erleuchten. Er geniesst in Chevi besondere Verehrung als "Patron der Kinder", insbesondere ihres Augenlichts. K'wire, K'wiria oder nach dem Kirchenkalender K'wirik'e (der hl. Cyriacus) nimmt in der Hierarchie der ostgeorgischen Bergler noch vor dem hl. Georg den ersten Platz ein. Er ist der Vermittler zwischen Gott und "den anderen Gotteskindern", d.h. den Heiligen, die, wie er selbst, immer auch Beschützer einer Sippe sind.

Auch in den Talgebieten Georgiens haben die christlichen Feiertage trotz siebzig Jahren atheistischer Propaganda ihre Bedeutung behalten. Man versammelt sich bei den häufig abgelegenen Kirchen, auch wenn dort längst keine Messen mehr gelesen werden. Man hat Essen und Trinken dabei, um die ganze Nacht auf dem Kirchhof durchwachen zu können. Reigen, wie sie in den ostgeorgischen Bergen die Männer ihren Heiligen singen und tanzen, werden hier von Frauen ausgeführt. Mzetamze hat zwei Varianten eines solchen Reigens auf den heiligen Georg aufgenommen: In der zweistimmigen fällt der Schluss der ersten Halbstrophe, das abschliessende Aufsteigen der Bourdonstimme, mit dem Einsatz der zweiten zusammen, schneidet ihr gewissermassen das Wort ab. Die zweite Variante fügt in parallelen Terzen der ersten Gruppe eine Ober-, der zweiten eine Unterstimme bei, so dass die beiden Halbstrophen sich kaum mehr unterscheiden. Da jede Gruppe ihren Teil abschliesst, entsteht ein unregelmässiges Metrum von fünf Einheiten.

- 13. Dideba..., Preis..., K'acheti (I: Ketewan Baïaschwili; II: Ketewan Nik'oladze; bani), aufgezeichnet 1987 in Shilda (Bezirk Qwareli) von Nat'o Zumbadze.
"Preis, Gott Preis! / Zuerst sei Gott genannt, / er ist am meisten zu preisen, / und danach alle Heiligen. / Der heilige Giorgi zu Pferde, / er sitzt auf einem edlen Pferde, / in der Hand hält er die Peitsche, / die Peitsche und andere Waffen. / Heiliger Giorgi, hin und her / geh ich nach dir von Berg zu Berg, / Gottes Gnade uns gewähre, / mit Brot fülle unseren Schoss, / mit Wein fülle unseren Keller. / Preis und Dank dem Vater, / Preis der unteren Mutter, / Preis, Gott wollen wir preisen."

- 28. Dideba..., Preis..., K'acheti (I: Nat'o Zumbadze, Nino Schwelidze; II: Nana Walischwili, Nino Macharadze; bani), aufgezeichnet 1955 in Gavazi (Bezirk Qwareli) von Grigol Tschchik'wadze.
"Preis, Gott Preis! / Zuerst sei Gott genannt, / und danach alle Heiligen. / Der heilige Georg geht / hin und her von Berg zu Berg, / in der Hand hält er die Peitsche, / die Peitsche und andere Waffen. / Du unser fröhlicher Gastgeber, / die Tür zum Weinkeller ächzt bei dir. / Öffne uns [das Fass], das niemand öffnete. / Den Hals uns netze mit neuem Wein! / Sind wir denn tatsächlich Bettler? / Wir sind die Kinder Christi. / Preis und Dank Gott! / Nichts kann Gott in Staunen versetzen. / Gott Preis, uns Frieden, / Georgien möge zu Frieden kommen, / Preis, Gott Preis!"

- 39. Ghvtis k'arze satkmeli iavnana, An der Türe Gottes zu singendes Iavnana, K'acheti (Nat'o Zumbadze; bani), aufgezeichnet 1963 in Schilda (Bezirk Qwareli) von Mindia Jordania.
Dieser Buss-und-Bitt-Gesang ist kein Reigenlied, doch an den selben Feiertagen zu hören wie Dideba. Bezeichnung und Refrain verweisen auf die am Krankenbett gesungenen bat'onebi-Lieder (5, 9, 17, 33, 34). Eine Parallele zum Ritual des "Um-Verzeihung-Bittens" ist tatsächlich in den Worten nanebit mogmartav (mit Reue wende ich mich an Euch) zu erkennen, mit denen die Sängerin acht ihrer Strophen beginnt. Abgeschlossen werden sie dagegen mit der von Tafelliedern her bekannten Formel mravalzhamier, lange Jahre, die aus dem Messtext stammt. Es geht denn auch hier nicht darum, gefährliche Geister zu besänftigen. Der Text wendet sich an die Mutter Gottes, den Schutzpatron Georgiens, an "Jesus Christus," Gottes Sohn, Antlitz Gottes aus Leid, Kreuz und Auferstehung; an Apostel, Erzengel und Dreifaltigkeit; an die in Georgien besonders verehrten Heiligen, "die grossen Beschützer und gewährenden Gerechten": Nino die Missionarin aus Kappadokien, die 325 Georgiens König zum Christentum bekehrt hat, Ketevan, die 1624 von den Persern das Martyrium erlitt, und immer wieder an den heiligen Georg. Zu allen Heiligen nennt sie die Stätten ihrer Verehrung, wobei sie auch die nicht kanonischen der Bergler nicht vergisst. Die letzten drei Strophen dieses schwer zu entschlüsselnden Textes lauten:
"Was bleibt von einer leeren Umgebung? / Die Erde war seit je zu unserer Ernährung da, / kleine Kinder schenk uns, jedem eine Handvoll [von unserem Fleisch und] Blut, / mit ein wenig Segen erlöse unser sündiges Land, / dass uns das Rad sich vorwärts wende, durch die Rechte eines tüchtigen Mannes, / iauda, ho, ho, ho, ho, hai da da, nanina, lange Jahre! // Es lebe Tag-und-Nacht, Sonne-und-Mond, Sterne-und-Gestirne, / Ost-West, Nord-Süd, / der vom Schwarzen Meer zum Schwarzen Meer mit weisser Peitsche ziehende Giorgi soll leben, / iauda, ho, ho, ho, ho, hai da da, lange Jahre! // Es sollen leben die dreihundertdreiundsechzig Giorgi, / alles Licht bündelt er hinter sich wie auf einem [glänzenden] Schwert. / Preis der [göttlichen] Kraft, Friede unserem Georgien, / iauda, ho, ho, ho, ho, hai da da, lange Jahre!"

Thomas Häusermann

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